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In der Nacht zum 11. September 1957 verläßt der Hurrikan Carrie plötzlich seinen Kurs. In rasendem Tempo zieht sie nach Osten. Um 17.00 Uhr wird im ORF Der Froschkönig ausgestrahlt. Während Carrie wie eine spielende Katze, der die inzwischen halbtote Maus zu langweilig geworden ist, nach einem neuen Opfer sucht, kommt Barbara Liebig in der Kölner Universitätsklinik als uneheliches Kind einer deutschen Mutter aus Berlin und eines französischen Vaters sephardischer Abstammung zur Welt.

Es herrscht abnehmender Mond. Am 15. September wird Konrad Adenauer in seinem Amt als Bundeskanzler bestätigt. Am 21. September hat Carrie ihr neues Objekt fest im Griff: Die Pamir, der letzte aktive Großsegler, sinkt. Achtzig Menschen kommen dabei ums Leben, nur sechs werden gerettet. Zu dieser Zeit ist Barbara, die jetzt Ute heißt, bereits in ihrem neuen Zuhause in der Nähe von Düsseldorf.

Im Laufe des Jahres wird auch ihr ursprünglicher Zuname fast spurlos verschwinden und mitihm jene Welt, der sie entstammt. Mit vier Jahren reist sie zum ersten Mal allein nach New York, um ihren geliebten Onkel William zu besuchen, einer der wenigen neuen Verwandten, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Der Weg in die mythischste Stadt der westlichen Welt wird von nun an regelmäßig wiederholt und irgendwann zu einer zweiten Heimat führen. Mit sechs Jahren, während der Lektüre von Peter Pan, entschließt sie sich, Schriftstellerin zu werden. Sie fängt sofort damit an, indem sie sich auf eine Randfigur stürzt: Die Geschichte der kleinen Mimi. Von Ute Bongartz.

Barbara Bongartz wird 1976 in Paris geboren, als sie einer plötzlichen Eingebung folgend auf ihren ursprünglichen Vornamen zurückgreift. Ihr erstes Studienjahr absolviert sie an der Sorbonne. Filmwissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik. Es folgen Stationen in München und Köln. 1984 schließt sie ihr Studium mit dem Magister ab. Sie macht Filme. Sie promoviert über ein filmwissenschaftliches Thema.Sie nimmt eine Stelle als wissenschaftliche Assistentin an und denkt darüber nach, sich zu habilitieren. Verwirft diesen Gedanken inmitten einer halbfertigen Arbeit über Film und Melancholie, als ihr erster großer Roman Örtliche Leidenschaften – Compilationes erscheint.

Von 1997 an lebt sie als freie Schriftstellerin in Düsseldorf und New York und an Orten, die Aufenthaltsstipendien so mit sich bringen. Amsterdam. Brüssel. Akademie Schloß Solitude. Schloß Röderhof. Künstlerhaus Lucas in Ahrenshoop ... Die Küste ist ein bevorzugter Ort. Boote dagegen kann Barbara Bongartz so wenig leiden, als hätte sie das Unglück der Parmir persönlich erlebt. 2001 erscheint, nach zahlreichen anderen Publikationen, ihr Roman Die Amerikanische Katze, eine Liebeserklärung an New York, die den Blick auf die Zwillingstürme von uptown Manhattan nach downtown in den Focus rückt.

Am 11. September 2001 soll Barbara Bongartz aus diesem Roman im Literaturhaus Hamburg lesen, als sie in einem Café sitzend per SMS von ihrem Kollegen Alban Nikolai Herbst erfährt, daß ein Flugzeug einen der Türme durchflogen hat. Weit über 3000 Menschen kommen bei den Anschlägen um, verschmelzen in einem Ort, der heute ground zero heißt. Der 11. September 2001 taucht seither immer wieder in ihren Romanen auf, ebenso wie jenes Grundmotiv, das den Ausgangspunkt ihres Schreibens bestimmt: die Frage des Individuums nach der eigenen Identität, nach dem Standort, nach fremden Einflüssen, Selbstbestimmtem und den daraus erwachsenden Hybriden.

2009 erscheint in diesem Kontext der Roman Perlensamt, der auch ins Arabische übersetzt und in Abu Dhabi erscheinen wird, gefolgt von der bitterbösen Novelle Topmodel und dem melancholisch-satirischen Gesellschaftsroman Die Schönen und die Reichen 2011. Das Grundmotiv und seine daraus erwachsenden Fragen verstärken sich durch die vermehrten Aufenthalte und das Leben in islamischen Ländern ab 2005. Islamabad, Pakistan. Duschanbe, Tadischikistan. Algier, Algerien. In ihrer Tasche befindet sich immer Étienne de La Boéties kleine große Streitschrift Von der freiwilligen Knechtschaft, kostbarer als alle sogenannten heiligen Worte der Welt. Berlin bleibt während dieser Jahren ein wesentlicher Standort, der sich dennoch durch die ungewöhnlichen Erfahrungen verfremdet, aus der Ferne zu einer Fata Morgana, aus der Nähe zu einer fernen Grauzone wird, übersprochen von T.E. Laurence` bedenkenswerten Reflektionen: In meinem Falle brachte mich die Mühe dieser Jahre ... um mein englisches Ich und ließ mich den Westen und seine Welt mit neuen Augen betrachten: sie zerstörten sie mir gänzlich ... Ich hatte eine Form abgestreift, ohne eine andere anzunehmen ... Manchmal unterhielten sich die beiden Ichs im Leeren; und dann war der Irrsinn nahe, wie er wohl einem Menschen nahe sein kann, der die Dinge gleichzeitig durch die Schleier zweierlei Sitten, zweierlei Bildung, zweierlei Umwelt zu betrachten vermochte.

BB macht längst keine Filme mehr. Aber Filme wie Bilder spielen Pentimenti ähnlich in ihren Texten eine wichtige Rolle. So auch in der Zusammenarbeit mit Photographen, Künstlerinnen, Filmautoren.

 

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